Transformation

U-Bahnhof Samariterstraße

Rechts überspannt ein blaues Schild mit der Aufschrift U Samariterstraße eine Treppe, die in die Haltestelle hinab führt, links davon eine Straße.

U-Bahnhof Samariterstraße, 2022.

Menschen stehen und sitzen vor der Gedenktafel für Silvio Meier im U-Bahnhof. Vor der Gedenktafel stehen und liegen Blumen und Kerzen.

Mahnwache für Silvio Meier am U-Bahnhof Samariterstraße, 1992.

U-BAHNHOF SAMARITERSTRAßE

Ein Tatort rechtsextremer Gewalt

Kurz nach der Wiedervereinigung erschüttert eine Serie rechtsextremer Gewalttaten die Republik. In Friedrichshain ersticht ein Neonazi Ende 1992 den linken Aktivisten Silvio Meier. Er wird zu einer Symbolfigur, der Tatort zum Ort des Gedenkens.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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"Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" – wegen dieses Spruchs auf einem Aufnäher geraten der 27-jährige Ost-Berliner Silvio Meier und seine drei Freunde mit einer Gruppe Neonazis aneinander. Schließlich reißen sie einem der rechtsradikalen Jugendlichen das Stück Stoff von der Jacke. Es ist die Nacht auf den 21. November 1992 am U-Bahnhof Samariterstraße im östlichen Berliner Bezirk Friedrichshain.

Der Hausbesetzer und ehemalige DDR-Oppositionelle Meier und seine Freunde wollen in dieser Nacht in Richtung Alexanderplatz fahren und tanzen gehen. Durch den Streit verpassen sie die Bahn. Als sie die Haltestelle wieder verlassen wollen, begegnen sie den Neonazis noch einmal. Diese gehen mit Messern auf sie los – und stechen zu. Silvio Meier verblutet noch auf der Zwischenebene der Station. Zwei seiner Begleiter werden lebensgefährlich verletzt.

Silvio Meier ist ein Opfer von vielen. Anfang der Neunzigerjahre erschüttern zahlreiche Gewalttaten von Neonazis das Land. Jugendliche veranstalten Hetzjagden gegen Menschen, die ihrem Feindbild entsprechen: nichtweiße Menschen, Linksalternative und Homosexuelle. In Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen richten sich Pogrome gegen Vertragsarbeitende und Asylsuchende. Fast 30 Menschen werden allein 1992 bei Anschlägen rechtsradikaler Schläger und Brandstifter getötet. Viele weitere werden schwer verletzt, beleidigt und bedroht.

Besonders betroffen sind die östlichen Bundesländer. Dort weicht die erste Euphorie über die Einheit einer tiefen Verunsicherung. Menschen verlieren massenhaft ihre Arbeit. Die in der DDR totgeschwiegene rechtsradikale Szene kommt ans Licht und hat Zulauf. Oft tragen die Neonazis Springerstiefel, sind mit Baseballschlägern ausgerüstet und rufen öffentlich ihre Hassparolen. Zu Beginn der Neunzigerjahre – nicht umsonst heißen sie mittlerweile auch "Baseballschlägerjahre" – prägen sie im Osten vielerorts das Stadtbild. Die Szene vernetzt sich bundesweit, doch geht die Tendenz nach Rechtsaußen über sie hinaus. Rechtsextreme Parteien feiern Wahlerfolge. Die stark gestiegene Zahl von Asylsuchenden und die Debatte um das Asylrecht polarisieren Politik und Gesellschaft.

Im Oktober 1993 verurteilt die Jugendstrafkammer Berlin-Moabit den 17-jährigen Haupttäter im Fall Silvio Meier, Sandro S., zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren wegen Totschlags. Zwei Mittäter erhalten dreieinhalb Jahre sowie acht Monate auf Bewährung. Einen politischen Hintergrund der Tat sieht das Gericht nicht gegeben – auch in anderen Fällen geht die Justiz nicht von rechtsradikaler Gewalt aus. Für Meiers Umfeld ist aber klar: Die Täter gehören zur organisierten rechtsextremen Szene und handeln aus diesem Verständnis.

Bereits am Tag seines Todes organisieren Silvio Meiers Freunde eine Mahnwache in der Station Samariterstraße, entzünden Kerzen, legen Blumen und Briefe nieder. Schnell wird er zu einer Ikone der linksalternativen und linksextremen Szene Berlins, ein Symbol für den Kampf gegen Gewalt von rechts. Demonstrationen zu Silvio Meiers Gedenken finden statt. Nach einer privaten Initiative befindet sich im U-Bahnhof mittlerweile eine offizielle Gedenktafel. Auch eine Straße direkt am U-Bahnhof trägt seit 2016 den Namen des Getöteten.

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