Transformation

Tresor

Auto vor einem goldfarbenen Neubau, rechts daneben ein mehrstöckiges altes Haus. Auto vor dem einstöckigen Eingang des Tresor-Club, rechts daneben ein mehrstöckiges Haus.

Gebäude an der Leipziger Straße 2023 und der Tresor-Club am Leipziger Platz, Mitte 1996.

TRESOR

Vereinte Partynächte

Ein neues Musikgenre erobert nach dem Mauerfall Berlin. Junge Menschen aus Ost und West feiern gemeinsam ihre neue Freiheit zu den harten Bässen der Technomusik. Die Musik ermöglicht Begegnungen und schafft Gemeinsamkeiten.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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In Freiheit tanzen junge Menschen aus der ganzen Welt nach dem Mauerfall in ganz Berlin. Das Wum-Wum der Bässe ist hart, metallen, roh. Schwitzende Körper flackern abgehackt im blitzenden Stroboskoplicht auf der tief vernebelten Tanzfläche auf. Techno-Musik ist neu und reißt seit den frühen Neunzigerjahren junge Menschen aus Ost und West mit. Im März 1991, eineinhalb Jahre nach dem Fall der Mauer, eröffnet der Tresor-Club. Er ist der erste Technoclub an einem festen Standort in der wiedervereinigten Stadt.

Der Club befindet sich in einem lange vergessenen Kellerraum – einem Tresor – der einst zum traditionsreichen Wertheim-Kaufhaus am Leipziger Platz gehört. Zu DDR-Zeiten steht die Kaufhaus-Ruine am Grenzstreifen zunächst leer, wird dann Mitte der Fünfzigerjahre abgerissen. Nur der Keller, in dem früher hinter Stahl und Beton Geld und Wertgegenstände aufbewahrt werden, überdauert die Teilung. Derartiger Leerstand zieht nach dem Mauerfall viele Kreative aus Musik und Kunst in die Stadt.

Berlin ist lange eine Stadt der Rockmusik, bis sich ab Ende der Achtzigerjahre Techno ausbreitet. Die neue Musik kommt aus Detroit in den Vereinigten Staaten. Schon im Sommer 1989 findet in West-Berlin die erste Loveparade als Technoumzug statt. Damals nehmen nur einige hundert Menschen teil. Nach dem Mauerfall explodiert die Szene. Die dröhnenden Bässe transportieren für viele das Gefühl der Zeit und bringen junge Menschen aus beiden Teilen der Stadt zusammen. Techno wird zur ersten gesamtdeutschen Jugendbewegung. Die Szene zieht schnell auch Feierfreudige aus der ganzen Welt in die Stadt.

Rund um das ehemalige Grenzgebiet stehen verfallende Warenhäuser, Fabrikhallen und Bunker. In Ost-Berlin bricht mit dem Mauerfall auch die Verwaltung zusammen. Eigentumsverhältnisse sind mitunter ungeklärt. Oft ist in den leerstehenden Gebäuden sogar noch Elektrizität vorhanden. Die Veranstalter müssen nur noch ihr Equipment anschließen. Offiziell angemeldet werden die Partys selten. Die Räume verwandeln sich meist nur kurzfristig oder gar einmalig zur Feierlocation. In Berlin gibt es keine Sperrstunde. Das ganze Wochenende wird durchgetanzt, Drogen gehören dazu. Ein DJ von damals resümiert: "Wer sich noch erinnern kann, war nicht wirklich dabei." Doch dabei sein können nicht alle. An den Türen der Locations wird ausgewählt, wer erwünscht ist und wer nicht.

Mit der Eröffnung des Tresors ist Techno endgültig in Berlin etabliert. Die alte Tresortür ist ein Zugang zu einer anderen Welt. Berlin und Detroit verschmelzen. Die Partys und das eigene Musiklabel des Tresors beeinflussen die Technoszene in ganz Europa. Legendäre DJs und Pioniere des maschinell-funkigen Detroit-Technos, wie Jeff Mills und Juan Atkins fliegen aus den Vereinigten Staaten ein, um zwischen hunderten aufgebrochenen Schließfächern aufzulegen. Auch viele deutsche DJs werden hier bekannt.

Das Grundstück in zentraler Berliner Lage ist für die Bebauung attraktiv und umkämpft. Der Club erhält nur kurzfristige Mietverträge. 2005 muss der Tresor ausziehen und ein Investor bebaut das Gelände neu. Der Club zieht in das alte Heizkraftwerk Berlin-Mitte. Hier geht die Technoparty seit 2007 weiter.

TRESOR

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Wilde Partynächte in verlassenen Gebäuden prägen den Beginn der Neunzigerjahre in Berlin. Menschen die, die neuentstandene Techno-Szene damals erleben und prägen, erinnern sich an das Feiern nach dem Mauerfall.

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Intro
Danielle de Picciotto beschreibt die Atmosphäre im vereinten Berlin.
Dimitri Hegemann erzählt von der Abenteuerlust in den 90ern.
Thorsten König sieht die heutige Clubkultur von damals beeinflusst.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

Tresor

Anfang der Neunzigerjahre erobert die Techno-Musik Berlin. Es ist eine Zeit des Umbruchs, des Zusammenwachsens und neuer Impulse. Viele Menschen empfinden nach dem Mauerfall eine neue Freiheit. Die Musik holt sie in ihrer Feierlaune ab.

ZEITZEUGIN

Danielle de Picciotto

Danielle de Picciotto gründet gemeinsam mit anderen die Loveparade. Rückblickend erinnert sie sich, warum gerade zu diesem Zeitpunkt die Feierlaune so groß ist.

"Es ging irgendwie um diesen Aufbruch, einen Aufbruch in politischer Hinsicht, einen Aufbruch in architektonischer Hinsicht. In jeglicher Hinsicht war es ein Aufbruch und ich glaube, das kam da so zusammen. Das war ja nicht nur die Parade. Das waren ja nicht nur die jungen Leute. Das war ja die ganze Stadt, das ganze Land. Es war ja genau dieser Zeitpunkt, wo das plötzlich allen klar wurde und wo man irgendwie das Gefühl hatte: Das wird jetzt etwas Neues. Es passieren unglaubliche Sachen und das feiern wir."

ZEITZEUGE

Dimitri Hegemann

Einer der Gründer des Techno-Clubs Tresor ist Dimitri Hegemann. Er studiert Ende der Achtzigerjahre Musikwissenschaften in Münster, bis er sich entschließt, nach Berlin zu gehen. Die Stadt mit ihren scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten zieht ihn an. Er erinnert sich.

"Das Thema Geld war damals kein Thema. Man machte es einfach. Man hat das gar nicht so wirtschaftlich berechnet. Irgendwie klappte das. Und wenn das gerade irgendwie überwunden war, stand schon das nächste Abenteuer wieder vor der Tür. [...] Plötzlich fiel die Mauer und der ganze Westen, die Aktiven, liefen in den Osten und fanden irgendwelche Räumlichkeiten. Das war eine riesen Chance. Also die historische Wende bot für diese subversiven Strömungen dann einmalige Gelegenheiten."

ZEITZEUGE

Thorsten König

Der Musikmanager Thorsten König ist Anfang der Neunzigerjahre in der Berliner Musikszene unterwegs. Er ist überzeugt davon, dass die damalige Zeit die Clubkultur der Hauptstadt nachhaltig prägt.

"Mitten in der Stadt war auf einmal so ein Freiraum. […] Das war natürlich attraktiv, weil man Wohnraum hatte, in der Stadt, den man sich leisten konnte. Und das andere waren natürlich diese unglaublichen Bauwerke, leerstehende Wachtürme, ja, alte Fabrikhallen, und dann war da wirklich, jedes Wochenende, wenn wir kamen, ein neuer Club da. […] Das war faszinierend und das war, ich würde nicht sagen, ein rechtsfreier Raum, aber es war so ein kunstinspirierender Raum, weil unglaublich viele Flächen da waren. Das hat Leute angezogen und ich glaube auch inspiriert. Ich würde mal sagen, dass die Berliner Clubkultur – die ja heute legendär ist – dass die ihre Wurzeln definitiv in der Zeit hat. Die ganze Philosophie, die zum Beispiel das Berghain oder auch die Bar 25, die jetzt das Katerholzig und das Katerblau gemacht haben, oder das Watergate, das nimmt direkt Bezug auf Anfang der Neunzigerjahre. Ich glaube, das macht Berlin immer noch total aus."

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Adresse

Leipziger Str. 126 a
10117 Berlin
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