Transformation

Potsdamer Platz

Die Skyline des Potsdamer Platzes mit vier Hochhäusern.

Potsdamer Platz, 2022.

Die riesige Baustelle auf dem Potsdamer Platz mit vielen Kränen von oben.

Potsdamer Platz, 1997.

POTSDAMER PLATZ

Die Wiederauferstehung eines Platzes

Der Potsdamer Platz ist im Jahr der Deutschen Einheit eine Brache. Die Aussicht auf einen Wirtschaftsboom zieht große Konzerne an, die hier nach 1990 ein ganzes Stadtviertel hochziehen. Es erinnert heute an die Aufbruchstimmung nach der Deutschen Einheit.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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Das gab es noch nie. Arbeiter und Ingenieure sägen einen 1300 Tonnen schweren Saal aus einem Gebäude heraus und packen ihn ein. Sie setzen ihn auf Schienen und verschieben ihn mit Hydraulikpressen. Knapp 70 Meter legt der prächtige Kaisersaal im März 1996 zurück. In den Resten des Luxushotels Esplanade nahe dem Potsdamer Platz hat er die Jahre überdauert. Der Zweite Weltkrieg beschädigte das Hotel und viele weitere Bauten schwer. Die Berliner Mauer, die hier von 1961 bis 1989 verlief, ließ den Platz endgültig veröden. Die meisten Ruinen wurden schließlich entfernt. Und so wollen die Behörden, dass wenigstens der Kaisersaal erhalten bleibt.

Wo der Kaisersaal stand, baut der japanische Elektronik-Konzern Sony ein neues Stadtviertel. Um uneingeschränkt planen zu können, lässt Sony den Saal versetzen. Die dafür fälligen 50 Millionen D-Mark trägt das Unternehmen. Der Potsdamer Platz ist die größte und bekannteste unter den vielen Baustellen Berlins. Hier schlug für Jahrzehnte das Herz der Hauptstadt. Die erste Ampel Berlins steuerte die Anfänge des  Autoverkehrs, um Hotels und Variétés wimmelten Passanten. Dann kamen Krieg und Teilung.

Mit dem Fall der Mauer im November 1989 liegt der verödete Potsdamer Platz mit einem Schlag wieder im Zentrum der Stadt. Und Berlin liegt plötzlich wieder im Zentrum Europas. Alle erwarten, dass die Stadt neuerlich zu dem Knotenpunkt wird, der sie einmal war. Ein Wirtschaftsboom scheint unausweichlich. Und so richten auch zwei Weltkonzerne ihr Auge auf die Stadt und den Platz. Neben Sony will der deutsche Autobauer Daimler-Benz sich dort niederlassen.

Wie aber soll der leere Raum, den die Geschichte hinterließ, ausgefüllt werden? Stadtplaner, Architekten und Öffentlichkeit diskutieren leidenschaftlich. Es siegen die Vertreter der sogenannten "kritischen Rekonstruktion". Das heißt, der alte Straßenverlauf soll wieder sichtbar werden. Hochhäuser sind unerwünscht, eine einheitliche Höhe ist vorgeschrieben. Steinfassaden mit Fenstern statt großer blanker Flächen aus Glas und Stahl sollen das Gesicht des neuen Viertels prägen.

Acht Milliarden D-Mark verbauen die Großinvestoren am Potsdamer Platz, 700.000 Quadratmeter Flächen für Büros, Geschäfte, Wohnungen und Kulturstätten entstehen. Doch die sogenannte "Berliner Mischung" von Wohnen und Gewerbe ist unvollständig. Es gibt keine Schule, keine Kita, kein Seniorenheim, dafür umso mehr Büros und Läden. Den Architekten und Bauherrn gelingt es zudem, die baulichen Vorgaben aufzuweichen. Mit 35 Metern liegt die Höhe der Bauten 13 Meter über dem sonst gültigen Maß. Vier Hochhäuser überragen das Viertel.

Besonders unter dem markanten Zeltdach des Sony Centers ist viel Betrieb. Im Kaisersaal, der nach seiner Verschiebung jahrelang leer stand, hat sich ein Restaurant eingemietet. Doch dem Konzern, der ihn umsetzen ließ, gehört er längst nicht mehr. Der erwartete Berlin-Boom begann erst 2010 mit zwanzigjähriger Verspätung. Sony und Daimler-Benz hatten da ihre einstigen Prestigeprojekte bereits an Immobilienfirmen verkauft. So erinnert das Stadtviertel der Großkonzerne auch an die zunächst enttäuschte Hoffnung auf den großen Aufschwung.

POTSDAMER PLATZ

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Eine gigantische Baustelle entsteht im Niemandsland zwischen Ost und West. Der damalige Bundespräsident erinnert sich, was die Grenzöffnung am Potsdamer Platz für ihn bedeutet. 

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Intro
Richard von Weizsäcker erinnert sich an eine besondere Begegnung.
Edzard Reuter will den Platz wiederbeleben.
Edzard Reuter arbeitet am Wiederaufbau des Ostens mit.
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Potsdamer Platz

Vor dem Zweiten Weltkrieg wimmelt es auf dem Potsdamer Platz vor Menschen. Sie gehen ins Kino, ins Restaurant oder sind mit dem Auto unterwegs. Im Krieg wird der Platz stark beschädigt, während der Teilung Deutschlands liegt er verlassen da. Der Verlauf der Mauer macht ihn zum Niemandsland. Nach der Deutschen Einheit entsteht hier das wohl markanteste Neubauprojekt der zusammenwachsenden Stadt.

ZEITZEUGE

Richard von Weizsäcker

Zwei Tage nach dem Fall der Mauer, am 12. November 1989, passiert Bundespräsident Richard von Weizsäcker am Potsdamer Platz einen neu eingerichteten Grenzübergang. Er erinnert sich daran, welche besondere Bedeutung die Begegnung mit einem DDR-Volkspolizisten auf der anderen Seite für ihn hatte.

“Die Mauer war offen, aber was heißt das, wer durfte von West nach Ost und von Ost nach West jetzt frei gehen? Und wenn man rüber gegangen war, konnte man auch wieder zurückgehen, oder was war eigentlich los? Und wir waren natürlich doch innerlich erregt und wollten das möglichst selber rausfinden. Und ich war damals Bundespräsident, war ja nicht dazu da, an der Mauer entlang zu laufen, um dort nachzugucken, was denn eigentlich los ist. Dann ging ich über den damals noch völlig unbebauten großen Potsdamer Platz in der Mitte von Berlin, allein, von einer Seite zur anderen in Richtung auf eine Baracke der Volkspolizei, die beobachteten mich durch Ferngläser, das konnte ich ja sehen. Und als ich ganz in der Nähe der Baracke angekommen war, öffnete sich die Tür der Baracke. Heraus trat ein Oberstleutnant der Volkspolizei, ging mit hervorragenden militärischen Disziplinschritten auf mich zu und sagte: 'Herr Bundespräsident, ich melde keine besonderen Vorkommnisse.' Das war sozusagen meine Ernennung zum gesamtdeutschen Bundespräsidenten. Es ist ja nur ein persönliches Erlebnis, aber das bleibt einem doch natürlich tief im Gedächtnis.”
 

ZEITZEUGE

Edzard Reuter

Edzard Reuter ist in Berlin geboren und hat viele Jahre in der Stadt gelebt. Als führender Mercedes-Benz-Manager will er schon vor dem Mauerfall am Potsdamer Platz bauen. Er spricht darüber, wie sich das Vorhaben entwickelt.

“Ursprünglich war die Idee lange vor der Wende, vor dem Zusammenbruch des kommunistischen Reiches, dass wir in Berlin ein Verwaltungsgebäude errichten wollten, das durchaus auch demonstrativ zeigen sollte: Vertrauen in die Zukunft dieser Stadt! So, wie das einmal Axel Springer mit dem Springerhochhaus gemacht hatte. Da haben wir ein Grundstück gesucht und das hat sich längere Zeit hingezogen, bis eines Tages, immer noch vor der Wende, der damalige regierende Bürgermeister Diepgen kam und sagte: Hier gucken Sie mal, hier ist ein Grundstück. Das ist ein bisschen größer, aber Sie können ja da mal drauf anfangen. Und das war dieses Grundstück am Potsdamer Platz.”

ZEITZEUGE

Edzard Reuter

Nach dem Fall der Mauer nimmt das Bauvorhaben von Edzard Reuter ganz neue Dimensionen an. Der Manager erzählt, welche Chance er in dem Projekt sieht.

"Dann kam plötzlich die Wende. Und nun war es die Mitte Berlins, die frei war. Und nun war auf einmal die Frage: Moment mal, was geschieht denn da? Ihr könnt doch das jetzt nicht aufgeben oder weglassen? Jetzt macht mal. Und da sind wir sozusagen hereingekommen in diese Rolle eines Investors, wie man das heute nennen würde, eines Immobilieninvestors. Und dann haben wir natürlich gesagt, es ist eine fantastische Gelegenheit, auch in Berlin zu zeigen, was Wiederaufbau des Ostens bedeutet."

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Adresse

Potsdamer Platz
10785 Berlin
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