Revolution

Ministerium für Staatssicherheit

Das zentrale Gebäude des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg.

Stasimuseum im Haus 1 der früheren Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit, 2022

Menschenmenge vor dem Ministeriumsgebäude. Auf einem Plakat steht: Stasi in die Produktion. Kein Extrageld. Nur Leistungslohn!

Am Tor des Ministeriums für Staatssicherheit, 15. Januar 1990.

MINISTERIUM FÜR STAATSSICHERHEIT

Die Besetzung der Stasi-Zentrale

Am 15. Januar 1990 dringen Protestierende in das Ministerium für Staatssicherheit ein und besetzen die Zentrale der Geheimpolizei. Dem gelingt es zuvor und auch danach, viele Akten, die die Unterdrückung belegen, zu zerstören.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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Vor dem Ministerium für Staatssicherheit, der Stasi, stehen am 15. Januar 1990 Tausende, die endlich die Zentrale der Geheimpolizei lahmlegen wollen. Als das Tor von innen aufgeht, gelangt die Menge auf einen dunklen Hof, nur ein Gebäude ist erleuchtet. Dort klirrt brechendes Glas, Papierbögen segeln aus den Fenstern, im Innern sind Türen aufgebrochen. Das einzige erleuchtete Gebäude ist ein Versorgungstrakt. Es gibt dort Geschäfte, einen Friseursalon, ein Kino. Ganz offensichtlich sind dort weder die Führung der Geheimpolizei noch Akten untergebracht. Schnell kommt der Verdacht auf, dass die Geheimdienstler sich vorbereitet haben und die Menge dorthin steuern, wo nichts Bedeutendes zu finden ist. Und dass sie an diesem Abend für die Zerstörungen sorgen, die die friedliche Revolution belasten sollen.

Als "Schild und Schwert der Partei" ist die Stasi das wichtigste Unterdrückungsinstrument der Staatspartei SED. Einer von fünfzig Erwachsenen in der DDR arbeitet für sie. Zwei Drittel davon sind Spitzel, die übrigen sind hauptamtlich für den Geheimdienst tätig. Sie überwachen die Bevölkerung und füllen Akten mit Informationen über Millionen von Menschen. Mit hinterhältigen und gewaltsamen Mitteln bekämpfen sie die Oppositionsgruppen. Gelenkt werden sie aus Berlin-Lichtenberg, 7.000 Menschen arbeiten in dem streng bewachten Hauptsitz.

Anfang Dezember 1989 besetzen von Dresden bis Rostock Oppositionelle gewaltlos die 14 Bezirksverwaltungen der Stasi. Ausgerechnet in der Zentrale kann der Geheimdienst hingegen ungestört weiterarbeiten. Die demokratischen Gruppen in der Hauptstadt haben viel tun, sie wollen Politik für die ganze DDR machen. Am Runden Tisch verhandeln sie mit den Machthabern über freiheitliche Reformen. Sie fordern dort die sofortige Auflösung der Stasi. Die Regierung führt aber noch immer die Staatspartei SED, die auf Verzögerung setzt. Sie hat die Stasi in "Amt für Nationale Sicherheit" umbenannt und behauptet, die Überwacher und Greiftrupps seien ganz normale Staatsdiener. Die demokratischen Gruppen wollen das nicht hinnehmen, einige ihrer Vertreter rufen für den 15. Januar zu einer Demonstration vor der Stasi-Zentrale auf. Am Mittag jenes Tages treffen außerdem Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler aus allen Teilen der DDR dort ein. Sie wollen nicht länger warten, bis ihre Ost-Berliner Mitstreitenden handeln. Seit Wochen vernichtet die Stasi in Lichtenberg Akten, die das Unrecht der Diktatur belegen.

Als die Menge am späten Nachmittag des 15. Januar durch das Haupttor des Ministeriums strömt, sieht es so aus, als sei mit der Zerstörung der Beweise endlich Schluss. Fortan wird die Auflösung der Stasi von engagierten Bürgerinnen und Bürgern überwacht. Sie können jedoch nicht verhindern, dass Stasi-Mitarbeitende weitere Akten vernichten. Dass viele Papiere dennoch erhalten bleiben und seit 1992 über eine neue Behörde für Betroffene einsehbar sind, ist ein großes Verdienst der friedlichen Revolution.

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Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Als die Oppositionellen die Stasi-Zentral stürmen, wollen sie vorrangig eines: Die weitere Arbeit der Behörde und die Vernichtung der Akten verhindern. Drei Beteiligte berichten, wie sie die Situation im Innern der Geheimdienstzentrale erleben.

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Intro
Margitta Kupler ist überrascht, wie es in der Stasi-Zentrale zugeht.
Peter Neumann Peter Neumann will die Arbeit der Stasi stoppen.
Ralf Drescher empfindet die Aktion als friedliche Besichtigung.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

Ministerium für Staatssicherheit

Als Tausende Menschen am 15. Januar 1990 den Sitz der gefürchteten Geheimpolizei der DDR besetzen, stoßen sie nicht auf Widerstand. Ihr Ziel ist es, die Vernichtung der dort gesammelten Unterlagen zu stoppen und die weitere Arbeit des Ministeriums zu verhindern.

Zeitzeugin

Margitta Kupler

Für den Runden Tisch kommt Margitta Kupler an diesem Tag in die Stasi-Zentrale, wo sich kaum noch Personal aufhält. Sie erzählt, wie sie in einem nahen Gebäudekomplex auf eine Überraschung stößt.

"Für mich war überraschend, wie riesengroß das ist und, dass das wirklich voll besetzt war. Da waren viel mehr Leute als in dem Anderen. Man dachte: Da war wirklich noch Aktivität. Also theoretisch wusste man das natürlich, dass überall noch irgendwie Wohnungen waren und irgendwas so war rundrum. Aber, dass da so ein riesen Gelände ist, das hat mich dann schon überrascht und diese Aktivität auch. Also besonders dafür, dass es der 15. Januar war. Eigentlich hat das Ministerium schon nicht mehr existiert und nicht mehr gearbeitet, aber das war da nachts wirklich ein Arbeitszustand."

Zeitzeuge

Peter Neumann

Für den Oppositionellen Peter Neumann dient die Besetzung der Stasi-Zentrale allem voran einem Zweck. Er erzählt, welchem:

"Diese komische Trutzburg, anders kann man das ja nicht nennen, die war danach offen und wir waren drin. Aber die von der Stasi waren auch noch drin und irgendwie waren wir dann alle zusammen drin und dann ging es eine Weile hin und her. Da hatte man natürlich irgendwann ein Problem. Was machen wir? Jetzt gehen wir wieder raus, dann geht es ganz normal weiter. Die machen die Tür wieder zu, räumen wieder auf und arbeiten weiter oder nee... das kann es auch nicht sein. Dann ging es eigentlich darum, das Ding jetzt zu besetzen, zu klären, dass die Arbeit der Staatssicherheit tatsächlich aufhört. Das war ja der eigentliche Punkt. Einen Beschluss gab es, ich glaube am 14. Dezember oder so. Da hat die damalige eingesetzte Modrow-Regierung gesagt: Aus! Ende! Stasi wird abgeschafft! Aber die haben einfach weitergemacht. Jetzt ist aber jut hier! Genug Spaß gehabt und Türen uff und Ende!”

Zeitzeuge

Ralf Drescher 

Der Ostdeutsche Ralf Drescher empfindet den Großteil der Demonstrierenden als friedlich. Er erzählt von seiner Vermutung, dass Schmierereien und Parolen auf den Wänden im Gebäudekomplex von ganz anderen Urhebern stammen.

"Ich selber habe keine wütenden Leute gesehen, also bis auf vielleicht welche, die vor dem Tor die Fäuste gereckt haben. Habe eher erstaunte Gesichter gesehen. Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht vorher schon dran stand. Es waren ja Parolen in dem Haus angeschrieben. Zum Beispiel ersinn ich mich an irgendwas 'Gestapo securitate', 'Stasi-Blutsauger' und solche Sprüche. Das haben entweder Stasileute selber rangeschrieben, vom Trupp der Provokateure, oder eben Leute die sehr wütend waren. Das Gros – es waren ja auch Leute mit Kindern da – das Gros wollte die Stasi besichtigen. Sie sind vielleicht nicht aus besonders politischen Gründen dahin gekommen, sondern dachten sich: Will mal sehen, was die da eigentlich gemacht haben. Das hat sicherlich keiner von uns an dem Abend wirklich gesehen. Aber ich würde nach wie vor sagen, die meisten Leute waren verblüfft."

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