Einheit

Haus der Parlamentarier

Rechts das Haus am Werderschen Markt mit vielen Fenstern, links im Hintergrund am Ende einer Straße befindet sich die Friedrichswerdersche Kirche.

Haus am Werderschen Markt, 2022.

Vor dem Haus am Werderschen Markt steht ein großes Werbeplakat für die PDS. Darauf ist der Slogan produktiv, progressiv, pro DDR zu lesen.

PDS-Wahlwerbung vor dem Haus am Werderschen Markt, März 1990.

HAUS DER PARLAMENTARIER

Vom Haus der SED zum Haus der Parlamentarier

Jahrzehntelang herrscht die Staatspartei der DDR, die SED, aus ihrer Zentrale am Werderschen Markt über die DDR. 1990 muss sie die Büros für die erstmals demokratisch gewählten Abgeordneten der Volkskammer räumen. Das Parlament bringt von dort aus die Deutsche Einheit auf den Weg.

DIE GESCHICHTE HÖREN

00:00
00:00

Die neuen Büros sind eine Enttäuschung – keine Schreibtische, keine Stühle, kein Telefon. Arbeiten ist hier unmöglich. Dabei sind die Volksvertreter voller Tatendrang. Vor ihnen liegt die historische Aufgabe, ihren Staat, die DDR, mit der Bundesrepublik zu vereinigen. Am 18. März 1990 haben die Deutschen in der DDR erstmals frei die Volkskammer gewählt. Eine klare Mehrheit hat ihre Stimme den Parteien gegeben, die eine schnelle Wiedervereinigung anstreben.

Um die dafür nötigen Entscheidungen zu treffen, braucht das Parlament mehr Platz. Der alten Volkskammer genügte der Plenarsaal im Palast der Republik, um die Beschlüsse der allmächtigen Staatspartei SED abzunicken. Die neue demokratische Volkskammer findet Räume für Mitarbeiter und Ausschüsse ausgerechnet im Haus am Werderschen Markt. Von 1959 bis Anfang 1990 saß hier die SED-Führung. Es war der verschlossene und unheimliche Sitz der allmächtigen Staatspartei. Dann kommt die friedliche Revolution 1989. Die SED muss ihre Alleinherrschaft aufgeben. Nach den freien Wahlen im März 1990 geht sie unter dem Namen PDS – Partei des Demokratischen Sozialismus – in die Opposition und arbeitet zunächst weiter in der alten SED-Zentrale.

Die Regierung beschließt, Teile des Hauses am Werderschen Markt der Volkskammer zu übergeben. Aber der Alteigentümer, die PDS, hält die anderen Parteien hin. Der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz: "Wir überlegten sogar, ob wir die umbenannte SED nicht kurzerhand enteignen sollten, damit es schneller ging." Als das Haus der Parlamentarier, wie es jetzt heißt, endlich offensteht, sind viele Büros leergeräumt. Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl, CDU, löst das Problem, indem sie mit Hilfe des Deutschen Bundestags in Bonn Büromöbel und Computer beschafft.

Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist eine gewaltige Aufgabe für die Abgeordneten, von denen viele zum ersten Mal Politik machen. Die Sitzungen dauern oft bis tief in die Nacht. Schwanitz: "Wir mussten in höchster Eile und in einer unheimlichen Dynamik Beschlüsse fassen, weil der Druck der Menschen wöchentlich wuchs, sich die ökonomischen Bedingungen rasant verschärften und das Zeitfenster für die Wiedervereinigung … immer kleiner wurde." Am 19. September 1990 schließen die Ost-Berliner Gesundheitsbehörden auch den alten Plenarsaal im Palast der Republik wegen Asbestbelastung, weil der Baustoff die Gesundheit gefährdet. Das Parlament tritt deshalb im Leninsaal am Werderschen Markt zusammen. Wichtigster Tagesordnungspunkt am 20. September: der Einigungsvertrag. Dieser regelt den Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten. Die Volkskammer nimmt ihn mit der nötigen Zweidrittelmehrheit an, sodass die DDR der Bundesrepublik beitritt. Bergmann-Pohl: "Wir haben geschafft, dass die Wiedervereinigung wirklich vollendet wurde und wir uns selbst überflüssig gemacht haben."

HAUS DER PARLAMENTARIER

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Im März 1990 wählen die Menschen in der DDR zum ersten Mal in einer freien Wahl ihr Parlament. Neu ins Amt gewählte Abgeordnete erzählen von ihrer intensiven Anfangszeit in der Volkskammer.
 

00:00
00:00
Intro
Rolf Berend erlebt arbeitsreiche Monate im neuen Parlament.
Christine Grabe beobachtet den Einfluss westdeutscher Berater.
Sabine Bergmann-Pohl registriert ein neues öffentliches Politik-Interesse.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

Haus der Parlamentarier

Die Abgeordneten des einzigen frei gewählten Parlaments der DDR nehmen 1990 ihre Arbeit auf. Sie ziehen ein in das Haus am Werderschen Markt, das jetzt Haus der Parlamentarier heißt. Richtungsweisende Entscheidungen stehen bevor. Am 20. September 1990 nimmt die Volkskammer hier den Einigungsvertrag an, der den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik regelt.

ZEITZEUGE

Rolf Berend

Der Thüringer Rolf Berend sitzt für die CDU in der Volkskammer. Er erinnert sich an die sehr arbeitsreichen Monate im neuen Parlament in Ost-Berlin.

"Die Volkskammer, diese wenigen Monate, waren rückblickend so intensiv für mich. Eine Intensivschule des Parlamentarismus, wo ich unwahrscheinlich viel für meine spätere politische Laufbahn gelernt habe. Aber ich sage auch ehrlich, dass ich vieles von dem, was dort an ungeheuer zahlenmäßig umfangreichen Gesetzen geschaffen wurde, gar nicht durchblickt habe. Letztendlich habe ich mich auf das, was uns die Berater aus den westlichen Bundesländern hier ans Herz gelegt haben, verlassen: Macht das so, macht das so. Dem sind wir dann letztendlich auch gefolgt. Unseren Sachverstand aus der ehemaligen DDR haben wir natürlich mit einfließen lassen, denn was wir wollten oder nicht wollten, das wussten wir schon sehr genau."

ZEITZEUGIN

Christine Grabe

Die ersten Wochen in der Volkskammer sind von einer euphorischen Aufbruchstimmung geprägt. Die Grünen-Abgeordnete Christine Grabe spricht über neue Freiheiten und wo diese enden.

"Man hat sich auch den ganzen vernachlässigten Themen gewidmet und das war schon toll. Auf der anderen Seite wurde der Einfluss der bundesrepublikanischen Berater mehr und mehr deutlich, wo immer wieder Grenzen aufgezeigt wurden und gesagt wurde: Also das geht so nicht. So geht das nicht. Und da merkte man schon, dass der neue Weg doch sehr begrenzt und beschränkt wurde."

ZEITZEUGIN

Sabine Bergmann-Pohl

Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl leitet ein Parlament, das die volle Aufmerksamkeit der Menschen in der DDR erhält. Die freien politischen Debatten und der kritische Blick der Öffentlichkeit sind für die Abgeordneten eine ganz neue Erfahrung.

"Es war eine völlig neue Herausforderung, ein ungezügeltes Parlament zu disziplinieren. Wir hatten immer sehr aufgeregte Debatten in dieser Volkskammer. Die Sitzungen wurden von Anfang bis Ende übertragen. Ich habe damals immer gesagt: Wir haben eine bessere Einschaltquote als die Lindenstraße, die ja sehr beliebt war. Und wir haben demzufolge auch sehr viele Zuschriften von Bürgern gekriegt. Das heißt: Wir sind sehr kritisch begleitet worden von der Öffentlichkeit. Das ist auch gut so gewesen."

Erinnerungen schließen

HAUS DER PARLAMENTARIER

Orte in der Nähe

Entdecken Sie weitere Orte zu den Themen Revolution, Einheit und Transformation in der Umgebung. Die Orte auf der Karte sind weniger als 1 Kilometer entfernt. Setzen Sie die Erkundungstour durch Berlin fort.

Adresse

Werderscher Markt 1
10117 Berlin
Weitere Informationen

ORTE DER EINHEIT

Themen erkunden

Der Kampf um Freiheit in der DDR, die Verwirklichung der Deutschen Einheit, das Zusammenwachsen Berlins – vertiefen Sie eins von drei Themen.

Google Maps temporär zulassen
Meine Favoriten
Kulturbrauerei
Berlin
Tränenpalast
Berlin