Transformation

East Side Gallery

Straßenverlauf mit East Side Gallery, davor stehen Autos. Viele Straßenlaternen stehen entlang der Straße.

East Side Gallery, 2022.

Links eine Person auf einer Leiter, die ein großes Bild auf die Mauer malt. rechts geht eine Familie mit einem Kind vorbei.

East Side Gallery, 1990.

EAST SIDE GALLERY

Das spontane Denkmal

Im Sommer 1990 bemalen über hundert Künstlerinnen und Künstler eine 1,3 Kilometer lange Strecke der Mauer in Berlin-Friedrichshain. Was als kurzlebige Kunstaktion gedacht ist, bewahrt das längste noch bestehende Mauerstück vor dem Abriss.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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In den Monaten nach dem Mauerfall im November 1989 ist in Berlin vieles möglich. Ohne Genehmigung eröffnen Kneipen und Klubs in Kellern und aufgegebenen Fabriken. Anwohner bepflanzen den Todesstreifen. Und die Mauer wird zur Galerie.

Seit den Achtzigerjahren malen Künstlerinnen und Künstler in großem Format auf dem Bauwerk – möglich ist das nur auf der westlichen Seite. Das ändert sich mit dem Mauerfall. Und so wollen im Frühjahr 1990 einige in West-Berlin wohnende Kreative auf der Ostseite der Mauer ihre Freude über die offenen Grenzen festhalten. Auf der größten Leinwand der Welt soll zum Ausdruck kommen, dass der Drang nach Freiheit jede Abschottung überwindet. Die Initiierenden arbeiten mit einer Werbeagentur zusammen und veröffentlichen einen weltweiten Aufruf. Jeder kann mitmachen und das Motiv frei wählen.

Das Verteidigungsministerium der DDR stimmt zu. So dürfen die Organisatoren ein 1,3 Kilometer langes Teilstück zwischen dem Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke bemalen lassen. Entlang der Mühlenstraße ist die Mauer weiß gestrichen, dahinter liegt der Grenzstreifen und das Ufer der Spree. 118 Frauen, Männer und Jugendliche, Profis und Laien aus 21 Ländern, verschönern bis September 1990 die Betonsegmente. Es gibt keinen Lohn und keine Mittel für die Kreativen, sie bezahlen ihre Farben und Materialien selbst. Malgrund ist der raue Beton. Ende des Monats eröffnet die Galerie auf der Berliner Mauer unter dem Namen East Side Gallery.

Der Projektplan sieht vor, die Mauerteile zum Jahresende auf Tournee zu schicken und dann zu versteigern. Dazu kommt es nicht, der Mauerabschnitt bleibt stehen und wird 1991 unter Denkmalschutz gestellt. Den hinter den Bildern liegenden Uferstreifen kaufen Investoren. Sie planen in der Umgebung Firmensitze, Büros, Hotels und hochwertige Wohnungen. Eine Initiative will den Uferstreifen und die East Side Gallery für die Öffentlichkeit. Sie organisiert vor allem 2013 große Protestkundgebungen, doch lässt sich das Anliegen weder rechtlich noch finanziell durchsetzen. Aus dem Mauerstück werden schließlich mehrfach Teile herausgehoben und versetzt, um Zugang zu den Neubauten auf dem Uferstreifen zu schaffen.

Die Bilder der East Side Gallery sind nicht geschützt und werden mehrmals restauriert. 2009 werden sie sogar entfernt und auf einem beständigeren Malgrund neu verwirklicht. Eine Schutzschicht erleichtert die Entfernung der Graffiti und Unterschriften, die die vielen Gäste hinterlassen. Längst ist die Galerie eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt. Den vielen Besucherinnen und Besuchern, die zum Selfie-Machen kommen, bleibt der historische Hintergrund des längsten erhaltenen Mauerstücks zumeist verborgen. 2018 übernimmt die Stiftung Berliner Mauer die Verantwortung für die Galerie und schafft Angebote zur Geschichte des Orts. Dabei legen die Historikerinnen und Historiker Wert darauf, dass die East Side Gallery an die Freude über den Mauerfall erinnert. Das Andenken an die Opfer bleibt vor allem der Gedenkstätte in der Bernauer Straße vorbehalten.

EAST SIDE GALLERY

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Künstlerinnen und Künstler bemalen nach dem Mauerfall die Berliner Mauer entlang des Spreeufers in Friedrichshain. Aus der Kunstaktion wird ein Gedenkort. Doch Investoren wollen Wohnungen und Büros an der Spree bauen. Es kommt zum Interessenskonflikt.

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Intro
Jim Avignon ist von der Bedeutung der Galerie überrascht.
Stefan Sihler erklärt, warum Bebauung wichtig für die Stadt ist.
Teresa Casanueva erzählt, was die Mauer für sie bedeutet.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

East Side Gallery

Die von Künstlerinnen und Künstlern bunt bemalte East Side Gallery ist der Ort, an dem das längste Stück der Berliner Mauer heute noch erhalten ist. Um das Grundstück in bester Uferlage an der Spree entspannt sich ein Konflikt zwischen Investoren-Interessen und der Frage: Wie viel ist Erinnerung wert?

ZEITZEUGE

Jim Avignon

Jim Avignon ist einer der bekanntesten Künstler, der Anfang der Neunzigerjahre den Mauerabschnitt bemalt hat. Er berichtet, wie überrascht er von der Bedeutung ist, die die East Side Gallery später erlangt.

"Uns war in keiner Weise bewusst, dass es mal zu dem werden würde, was es jetzt ist: nämlich einem der Haupt-Touristenanziehungspunkte in Berlin oder in Deutschland und einer Art Mahnmal, zu dem Menschen aus aller Welt hinpilgern, um sich an die Mauer zu erinnern."

ZEITZEUGE

Stefan Sihler

Stefan Sihler ist einer der Mediaspree-Investoren. Als Sprecher des Projekts erklärt er 2010, warum die Bebauung der Uferstreifen in der Gegend des ehemaligen Osthafens für die Entwicklung der Stadt wichtig ist.

"Wenn man sich das hier anschaut am Osthafen, kann man nicht davon reden, dass ich das schöne Ufer zupflastere, sondern dass ich eine hässliche Brache verschönere und erneuere und ja hier nicht nur davon spreche, sondern auch Arbeitsplätze schaffe. Man kann ja nicht nur von den sogenannten Transferempfängern leben, von denen es in Berlin ja sehr viele gibt. Es ist ja ein Irrglaube, zu meinen, dass das Geld schon irgendwo her käme für den Kindergarten, die Schulen, für die Straße, den Park und sonstwas. Das muss ja finanziert werden. Ich glaube, das verstehen auch immer mehr Leute, dass insbesondere Berlin da großen Nachholbedarf hat und dass man die Investoren da nicht verschrecken darf."

ZEITZEUGIN

Teresa Casanueva

Im März 2013 wird die East Side Gallery an einer Stelle durchbrochen, um ein Teilstück des Areals bebaubar zu machen. Die kubanische Künstlerin Teresa Casanueva erfährt am Tag zuvor, dass ausgerechnet der von ihr bemalte Teil der East Side Gallery herausgetrennt werden soll. Sie erzählt, was ihr daraufhin durch den Kopf geht.

"Das ist nicht mein Eigentum. Ich persönlich kann da nichts tun. Die Mauer bedeutet für mich persönlich besonders viel, weil ich aus einem Land komme, wo diese Mauer, also das Symbol, das diese Mauer darstellt, immer noch aktuell ist. Von daher ist das wirklich besonders traurig."

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10423 Berlin
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