Einheit

DDR-Außenministerium

Die Schlossbrücke über der Spree mit Skulpturen von Kriegern und Siegesgöttinnen auf Sockeln. Im Hintergrund das Kommandantenhaus. Die Schlossbrücke über der Spree mit Skulpturen von Kriegern und Siegesgöttinnen auf Sockeln. Hinten das weiße Hochhaus des DDR-Außenministeriums.

Schlossbrücke mit dem Kommandantenhaus 2022 und dem DDR-Außenministerium 1991.

DDR-AUßENMINISTERIUM

Ein Neuanfang mit großen Plänen

Im Frühjahr 1990 hat der erste Außenminister einer demokratisch gewählten DDR-Regierung weitreichende Ideen für ein neues Europa. Doch nicht die Neugestaltung des Kontinents steht an, sondern eine schnelle Deutsche Einheit.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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Der neue Minister erwartet, an seinem ersten Arbeitstag auf seinen Vorgänger zu treffen. Eine ordentliche Amtsübergabe, so denkt er, sei schließlich üblich. Doch im Außenministerium am Spreekanal stößt er lediglich auf einige Schreibkräfte, die in weitgehend leergeräumten Büros sitzen. Nicht einmal das regierungseigene Telefonnetz funktioniert. Das abgetretene SED-Regime will der siegreichen Gegenseite den Neuanfang möglichst schwer machen.

Der neue Außenminister heißt Markus Meckel, ist von Beruf Pfarrer und engagierte sich in der Friedensbewegung der DDR. Seit April 1990 gehört er für die SPD der ersten und letzten demokratischen DDR-Regierung an. Die Wählerinnen und Wähler haben sie beauftragt, die DDR möglichst schnell in die Deutsche Einheit zu führen. Auf die altgedienten Diplomaten seines Ministeriums will Meckel sich dabei keinesfalls verlassen, und auch zu den Beratern aus dem Auswärtigen Amt in Bonn hält er Abstand. Seine engsten Mitarbeiter sind Weggefährten aus der DDR sowie aus der westdeutschen Friedensbewegung. Sie haben sich viel vorgenommen.

Die DDR-Regierung in Ost-Berlin rechnet zunächst mit einem Prozess von zwei Jahren bis zur Einheit. Diese Zeit wollen die Neuen im Außenministerium für einen Umbau Europas nutzen. Ihr Ziel: Die beiden Militärblöcke – die NATO rund um die USA und der Warschauer Pakt rund um die Sowjetunion – sollen verschwinden, ebenso sämtliche Atomwaffen. Die europäischen Länder sollen fortan alle gemeinsam ihre Sicherheit gewährleisten.

Doch was nun ansteht, ist keine große Konferenz zur Neugestaltung des Kontinents, sondern Verhandlungen zur Deutschen Einheit. Neben den zwei deutschen Staaten sind lediglich die vier Siegermächte beteiligt. Sie heißen deshalb Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Die Sieger des Zweiten Weltkriegs – die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich – sind seit 1945 berechtigt, über "Deutschland als Ganzes" zu entscheiden. Vor allem müssen sie sich darüber einigen, zu welchem Militärbündnis das vereinigte Deutschland gehören wird. Zur Nato? Zum Warschauer Pakt? Zu keinem? Oder sogar zu beiden?

Die Ost-Berliner treffen mit ihrem Vorschlag, die Militärblöcke aufzulösen, in Washington auf Unverständnis. Deutschland, so die US-Regierung, könne seinen Platz nur in der Nato haben. So sieht man es auch in Bonn, London und Paris. Der sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow, der ums politische Überleben kämpft, lehnt die DDR-Pläne ebenfalls ab. Meckel und sein Team stehen alleine da. Gegen die routinierten Diplomaten haben es die Neulinge schwer. Sie vertreten einen Staat, der dabei ist, sich selbst abzuschaffen. Welches Gewicht können sie noch haben?

Die Schlüsselfrage der deutschen Nato-Mitgliedschaft entscheidet sich zwischen Gorbatschow und US-Präsident George Bush. Gorbatschow gibt nach, weil die inneren Krisen seines Landes ihn ganz beanspruchen. Er hofft auf Milliardenhilfen aus Bonn, die er auch erhält. Alles geht viel schneller als erwartet. Die Außenminister der Zwei-plus-Vier-Staaten unterzeichnen im September den "Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland", wie er offiziell heißt. Markus Meckel zieht so Bilanz: "Ich habe zwar eine andere Konzeption für Zwei-plus-Vier gehabt, aber außerordentlich begrüßt, dass das so schnell und erfolgreich gelungen ist."

DDR-AUßENMINISTERIUM

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Mit der Wiedervereinigung soll die Besatzung der Alliierten enden. Deutschland will wieder souverän sein. Die Außenminister von Ost- und West-Deutschland sowie ein Berater des russischen Präsidenten berichten von den Verhandlungen.

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Intro
Markus Meckel fühlt sich als DDR-Außenminister nicht ernstgenommen.
Hans-Dietrich Genscher erinnert sich an scharfe Äußerungen der Sowjetunion.
Hans-Dietrich Genscher verhandelt über die Bedingungen einer Nato-Mitgliedschaft.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

DDR-Außenministerium

Außenpolitische Verhandlungen prägen Frühjahr und Sommer des Jahres 1990. Es geht um Grundsatzfragen: Lässt die Sowjetunion das vereinte Deutschland dem westlichen Verteidigungsbündnis – der NATO – beitreten? Werden die alliierten Vorbehaltsrechte beendet? Erlangt Deutschland seine volle Souveränität? Die DDR wird dabei durch ihr Außenministerium vertreten.

ZEITZEUGE

Markus Meckel

Am 18. März 1990 finden die ersten freien Wahlen in der DDR statt. Pfarrer Markus Meckel wird neuer Außenminister. Bereits wenige Tage zuvor treffen sich Beamte in Bonn, um das Ende der alliierten Vorbehaltsrechte in beiden Teilen Deutschlands vorzubereiten. Für den neuen DDR-Außenminister sendet der Zeitpunkt des Termins ein klares Zeichen. Er erinnert sich.

"Am 14. März, vier Tage vor der freien Wahl in der DDR, fand das erste Beamtentreffen statt, das dann die Tagesordnungsfrage und solche Dinge, das sind ganz zentrale inhaltliche Fragen, besprochen hat. Das empfanden wir als skandalös. Es machte eigentlich deutlich, dass die anderen gar nicht an der DDR interessiert waren. Also nicht nur an der nicht-demokratischen DDR nicht, sondern auch gar nicht an der Legitimitätsfrage der DDR-Regierung. Wer vier Tage vor der Wahl so ein Treffen macht, sagt: Das ist doch völlig egal, wie die aussehen. Wir wollen sowieso nicht mit ihnen. Das ist, auf den Punkt gebracht, die Sprache die aus dieser  Datierung spricht. Am Anfang wurde das – vom persönlichen Empfinden her – etwas aufgehoben durch die freundliche Aufnahme in den Kreis der Außenminister. Es hat sich dann aber sehr deutlich gezeigt, dass das von Anfang an die Politik war: Wir sollten keine Rolle spielen, sondern wir sollten eine Zahl in diesem Nummernspiel sein. Trotzdem denke ich, ist es uns gelungen, an ein paar Punkten inhaltliche Akzente zu setzen."

ZEITZEUGE

Hans-Dietrich Genscher

Während der Zwei-plus-Vier-Verhandlungsrunde am 22. Juni in Ost-Berlin äußert sich der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse unerwartet scharf und scheint hinter frühere Zugeständnisse zurückzugehen. Sein westdeutscher Amtskollege Hans-Dietrich Genscher erinnert sich, wie ihm klar wird, dass dahinter innenpolitische Erwägungen in der Sowjetunion stehen.

"Schewardnadse hatte natürlich Rücksicht auf das Denken in Moskau zu nehmen. Ich wusste, dass ihm ein Parteitag bevorstand. Aber um ganz sicher zu sein, dass meine Einschätzung zutraf, nahm ich ihn zur Seite, als wir den Verhandlungssaal verließen und ich sagte: Der Demokratisierungsvorgang in Moskau scheint ja schon so weit zu sein, dass der sowjetische Außenminister – wie das bei uns manchmal auch üblich ist – vor einem Parteitag noch einmal eine besonders harte Haltung in irgendeiner Frage einnimmt. Da hat er mich angelächelt, ohne die Frage zu beantworten. Da war mir klar: Diese Rede hatte er nicht an unsere Adresse gehalten."

ZEITZEUGE

Hans-Dietrich Genscher

Im Juli 1990 reist Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher mit Kanzler Helmut Kohl zu Verhandlungen mit der Sowjetunion in den Kaukasus. Es geht um die Bedingungen einer möglichen NATO-Mitgliedschaft eines wiedervereinigten Deutschlands. Rückblickend erzählt Genscher, dass der Durchbruch schon vor dem deutsch-sowjetischen Treffen gelang. 

"Als ich in den Kaukasus kam, war die Zustimmung der Sowjetunion zur NATO-Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands längst gegeben. Das passierte bereits bei dem Besuch von Gorbatschow in den Vereinigten Staaten in dem Gespräch mit Präsident Bush. Dort gab es auch eine Pressekonferenz. Jetzt ging es um Fragen über die Dauer der Anwesenheit sowjetischer Truppen auf dem Gebiet der DDR und um Zahlungen, die wir leisten. Aber das geschah eben in einem Klima, wie es die Bilder ganz wahrheitsgemäß ausdrücken. Da wusste man, man ist an einem Punkt angelangt, wo man eine völlig neue Partnerschaft schaffen kann und man konnte anknüpfen an die Ereignisse ein Jahr zuvor, wo wir einen Glücksfall der deutschen Geschichte hatten: nämlich, dass erst Präsident Bush und dann Generalsekretär Gorbatschow in Bonn waren, im Frühsommer. Und wir waren, in diesem historischen Jahr 1989, eigentlich auf einem Höchststand der Beziehungen mit beiden Weltmächten, mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit der Sowjetunion."

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