Revolution

Bornholmer Straße

Blick auf die Bösebrücke auf Straßenebene.

Bornholmer Straße, 2022.

Menschenmassen und Autos passieren die Grenze an der Bösebrücke an der Bornholmer Straße.

Grenzübergang Bornholmer Straße, 9. November 1989.

BORNHOLMER STRASSE

Der Ort, wo sich die Mauer öffnet

Am 9. November 1989 verkündet das westdeutsche Fernsehen, die Mauer sei offen. Tausende Ost-Berlinerinnen und -Berliner machen sich daraufhin auf den Weg zum Grenzübergang Bornholmer Straße. Die Kontrollposten sind vollkommen unvorbereitet.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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9. November 1989: Die Befehlshaber der Grenztruppen und der Passkontrolleinheiten können es nicht glauben. Seit 28 Jahren stellen sie sicher, dass die Berliner Mauer für die meisten Menschen in der DDR unüberwindbar bleibt. Dann erfahren sie um kurz nach sieben aus dem Fernsehen, dass die Grenzübergänge plötzlich offen sein sollen. Von ihren Vorgesetzten haben sie dazu keinerlei Informationen oder Befehle erhalten.

Der Grenzübergang Bornholmer Straße liegt zwischen Prenzlauer Berg in Ost-Berlin und Wedding in West-Berlin. An diesem Abend hat dort Harald Jäger das Kommando. Sogleich erkundigt er sich nach neuen Weisungen. Doch seine Vorgesetzten wissen von nichts. Der Grund: Die Reiseregelung, die der leitende SED-Funktionär Günter Schabowski gerade bekannt gegeben hat, hätte erst am nächsten Tag veröffentlicht und umgesetzt werden sollen.

Schon um 19.30 Uhr stehen fünfzig bis hundert Ost-Berlinerinnen und -Berliner vor dem Grenzübergang Bornholmer Straße. Jäger soll sie wegschicken und auf den nächsten Tag vertrösten, doch niemand weicht. Immerhin hat mit Schabowski einer der mächtigsten Politiker der DDR erklärt, Reisen ins Ausland seien ohne Voraussetzungen sofort möglich.

Die ARD-Tagesschau meldet um 20.00 Uhr: "DDR öffnet Grenze". Die Gruppe vor dem Schlagbaum wächst in den folgenden Stunden zu einer Menge an. Autos reihen sich vor dem Grenzübergang auf. Manche wollen nur wissen, ob die Reisefreiheit nun auch wirklich gilt. Andere fordern sie lautstark ein. Rund 35 Uniformierte stehen am Grenzübergang Tausenden Menschen gegenüber, die auf die andere Seite wollen. Sie sind unmöglich aufzuhalten. Harald Jäger erinnert sich: "Die Leute hätten uns überrollt und mit unseren eigenen Gummiknüppeln verhauen!" Noch ernster äußert sich im Rückblick ein Kollege: "Wenn die Masse ins Rennen kommt und wir schießen, dann hängen wir da vorne am Fahnenmast."

Um 21.20 Uhr erhält Jäger den Befehl, die "Aufsässigsten" nach West-Berlin zu entlassen und die Fotos in ihren Personalausweisen zu stempeln. Sie sollen nicht wieder zurück in die DDR gelassen werden und so, ohne es zu ahnen, ihre Staatsbürgerschaft verlieren. Doch die sogenannte "Ventillösung" erzeugt ein neues Problem. Weil einige wenige passieren dürfen, fordern die Zurückgebliebenen umso lauter: "Tor auf, Tor auf!"

Einen Zaun vor dem Übergang drückt die Menge beiseite. Jäger fürchtet um das Leben seiner Mitarbeiter. Um 23.30 Uhr meldet er: "Es ist nicht mehr zu halten, wir müssen die Grenzübergangsstelle aufmachen." In der nächsten Dreiviertelstunde strömen etwa 20.000 Menschen über die Bösebrücke nach West-Berlin. Um Mitternacht sind auch die anderen Grenzübergänge in Berlin offen. Die Bilder der vor Freude überwältigten Menschen gehen um die Welt. Was zuerst nur eine Meldung war, wird Realität: Die DDR hat die Grenze geöffnet. Individuelle Entscheidungen und punktuelle Ereignisse haben an diesem 9. November 1989 zu diesem Schritt beigetragen. Doch vor allem ist es der Erfolg der erst wenigen, dann vielen Mutigen, die die friedliche Revolution tragen.

BORNHOLMER STRASSE

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Der Grenzübergang an der Bornholmer Straße wirkt auf viele lange Zeit sehr bedrohlich. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten davon, wie sie dort die Grenze passieren und wie sie die Nacht des Mauerfalls erleben.

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Intro
Hermann von Richthofen siedelt mit seiner Familie nach Ost-Berlin über.
Andree Kaiser arbeitet am Abend des Mauerfalls als Fotograf.
Rainer Eppelmann erinnert sich, wie er einen Schlagbaum hebt.
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Bornholmer Straße

Am Abend des 9. November 1989 laufen viele Menschen aus Ost-Berlin zum Grenzübergang an der Bornholmer Straße. Sie haben von der neuen Reiseregelung gehört. Diese besagt, Reisen aus der DDR in die Bundesrepublik seien nun möglich. Die Ost-Berlinerinnen und -Berliner fordern die Öffnung der Grenze, die jahrzehntelang Angst schürte.

ZEITZEUGE

Hermann von Richthofen

Während der Teilung arbeitet der westdeutsche Diplomat Hermann von Richthofen in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in der DDR. Mit seiner Familie zieht er 1975 nach Ost-Berlin. Er erinnert sich, wie sie den Grenzübergang Bornholmer Straße passieren.

"Dann sind wir richtig übergesiedelt mit unserem Zeug, mit unseren ganzen Sachen, wie das so normal ist. Und als wir die Kinder vom Flughafen im Auto über die Grenze an der Bornholmer Straße nach Niederschönhausen gebracht haben, sagte meine kleine Tochter, die war damals vier, als sie diese ganzen Grenzer sah: 'Werden wir jetzt erschossen?' Die hatte das natürlich auch immer irgendwo im Fernsehen gesehen, diese Todesschüsse an der Mauer und sie hatte dann plötzlich richtig Angst, es passiert ihr was. 'In was für einen Staat komme ich da?'"

ZEITZEUGE

Andree Kaiser

Der Fotograf Andree Kaiser arbeitet am Abend des 9. November am Grenzübergang Bornholmer Straße. Er spricht darüber, wie er den historischen Augenblick mit seiner Kamera festhält.

"Als dann die Mauer 1989 fiel, war ich an der Bornholmer Straße. Es gab nicht viele Fotografen, vielleicht zehn oder so und fünf Kamerateams, die direkt an der Brücke dort waren. Als die Mauer fiel, die Schranke aufging, war ich auch dort. Es war ein toller, emotionaler Moment. Gleichzeitig war klar, wenn man filmt oder fotografiert, konzentriert man sich auf das Bild. Ich konnte das gar nicht so einschätzen, was da jetzt wirklich passiert, sondern ich konzentrierte mich eher auf das Fotografieren. Und ich weiß, in der Mitte der Brücke gab es auch so zwei, drei so Panzersperren, auf denen ich oben draufstand und fotografierte. Und die Massen kamen an mir vorbeigeschoben, so freudetänzelnd."

ZEITZEUGE

Rainer Eppelmann

Rainer Eppelmann ist Pfarrer und Oppositioneller in der DDR. In seiner Erinnerung hat er in der Nacht des Mauerfalls gemeinsam mit anderen einen Schlagbaum an der Bornholmer Straße geöffnet.

"Als wir uns da so durchdrängelten, rief mal wieder einer – war sicher nicht der erste, der das gerufen hatte: 'Ja, nu mach doch ma uff! Der Schabowski hat doch jesacht, wir dürfen rüber.' Und das immer wieder. Bis wir irgendwann begriffen, die dürfen nicht aufmachen. Sollen ja weiter zuverlässig die Staatsgrenze schützen. Dann haben wir den Schlagbaum aufgemacht. […] Ja und dann sind die Leute alle rübergerannt. Bis auf ganz wenige, zu denen wir beide gehörten, ohne dass wir darüber geredet haben. Wir sind beide nicht rübergerannt. Wir sind vielleicht zehn, fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter, weiß ich nicht so genau mehr, in den Grenzbereich reingelaufen, in den du sonst so nicht hättest reingehen dürfen. Da sind wir stehengeblieben und haben nur zugeschaut, wie die Leute da ankamen, standen, juchzten, schrien, kreischten, sich in die Arme fielen. Leute, die sich kannten, die zusammen gekommen waren, händchenhaltend und solche, die zufällig nebeneinander standen."

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